Feb 10 2016

Rezension – Hänschen klein (Andreas Winkelmann)

haenschenDer junge Anwalt Sebastian Schneider bekommt eines Tages einen seltsamen Brief: die erste Strophe des Liedes »Hänschen klein« und das innige Versprechen einer Frau, dass sie und ihr Hans bald wieder vereint sein werden. Sebastian glaubt an einen Irrtum. Er ahnt nicht, dass er einen Liebesbrief in den Händen hält, der sein Leben zerstören wird: den Brief einer Mutter, die – totgeschwiegen, totgeglaubt, dem Wahnsinn verfallen – auf der Jagd nach ihrem Sohn ist. Und bereit, für ihr Hänschen klein über mehr als eine Leiche zu gehen.

Dieses Buch stand schon sehr lange im Regal und wäre fast meiner Ausräumaktion zum Opfer gefallen. Aber die Thriller von Andreas Winkelmann hatten mir bisher meist ganz gut gefallen, deshalb durfte es bleiben und wurde sogar zügig gelesen. Nach den letzten Pleiten war mir mal wieder nach einem guten Buch.
Leider muss ich aber sagen, dass mir „Hänschen klein“ dann doch nicht besonders gefallen hat.
Fangen wir mit aber mal mit dem Positiven an, so gehört sich das schließlich. Finde ich wenigstens.
Mir hat der Bösewicht hier sehr gut gefallen. So richtig schön brutal und so richtig schön krank im Kopf. Das mag ich. Ich lese und staune immer wieder gerne darüber, wie verkorkst der menschliche Verstand sein kann bzw welche erschreckenden Veränderungen im menschlichen Gehirn vor sich gehen können.
Irgendwie fasziniert mich das immer. Je schlimmer, desto begeisterter bin ich.
Für den ersten Negativpunkt kann die Geschichte selber eigentlich gar nichts, denn das Buch ist nunmal bereits knappe sechs Jahre alt. Mir kam es dadurch allerdings irgendwie ein wenig verstaubt und veraltet vor. Ich kann noch nicht mal präzise irgendwelche Punkte benennen. Vielleicht die Ausdrucksweise der Figuren hier und da, die Beschreibungen gewisser Umstände und Dinge…eben Dinge, die man heute anders sagen würde bzw die es heute bereits in stark modernisierter Form gibt. Wie auch immer, ich habe einfach immer so meine Probleme mit Geschichten, die nicht absolut im Heute spielen. Daher hat es mir „Hänschen klein“ nicht leicht gemacht.
Dazu kommt noch, dass ich die Story nicht sonderlich spannend fand. Ich finde Krimis und Thriller immer spannender, wenn es einen Ermittler als Hauptfigur gibt. Das ist hier nicht der Fall. Natürlich mischt die Polizei mit, doch die Hauptpersonen sind Anwalt Sebastian Schneider und seine Freundin Saskia, und die ermitteln kaum bis gar nicht, sondern sind die Opfer in der Geschichte.
Außerdem ahnt man schnell, wer hinter den grausigen Vorfällen und den sonderbaren Briefen steckt. Kein Wunder, denn kapitelweise ist man als Leser beim Täter zu Gast. So kann man natürlich auch nahezu jeden Vorfall bei Sebastian und Saskia jemandem zuordnen. Und selbst das Motiv ist -so krank es ist- nicht schwer zu erraten. Das hat für mich schon ziemlich viel an Spannung rausgenommen. Und weil ich Ermittlungen -wie schon geschrieben- immer spannender finde als bei den Opfern zu sein, habe ich auch manche Szenen als Längen empfunden, die mich beim Lesen ausgebremst haben.
Der größte Knackpunkt ohne den ich überall sonst großzügig hätte hinwegsehen können, war aber der okkulte / übersinnliche Einschlag in der Geschichte. Erstens glaube ich an so etwas schlicht nicht und zweitens (und viel wichtiger) hat es für mich in einem Thriller nichts zu suchen. Ich glaube gerne an jeden Irrweg des menschlichen Verstands und begrüße ihn in einem Thriller absolut. Aber wenn man mir weismachen möchte, dass so etwas wie Beschwörungen und Telepathie funktionieren, dann ist es bei mir vorbei. Dass Telepathie generell funktionieren kann, stelle ich nicht infrage, aber auf diese Weise hier…nein, das kaufe ich niemandem ab. Auch nicht Andreas Winkelmann.
Und somit hat „Hänschen klein“ bei mir einen sehr, sehr durchwachsenen Eindruck hinterlassen.

Der Schreibstil geht in Ordnung, das liest sich gut und schnell. Das nützt aber eben auch nur wenig, wenn einen der Inhalt nicht packt und vorantreibt. Hinzu kommen noch oft lange erzählende / erklärende Abschnitte, was mich immer ausbremst. Ich mag einfach Dialoge lieber, weil darin mehr Tempo steckt.

Das Cover gefällt mir noch immer gut. Das Blutrot ist einfach ein Blickfang. Und man fragt sich automatisch, was sich hinter der hölzernen Tür verbergen mag. Das macht natürlich neugierig. Erst recht bei der Kombination aus einen Kinderlied-Titel und dem Thriller-Genre.

Fazit:  Der Täter hier ist genau nach meinem Geschmack krank im Kopf. So etwas ist absolut mein Ding bei einem Thriller. Und dafür, dass manches etwas veraltet wirkt, kann die Geschichte nichts. Ich mag aber nun mal lieber Geschichten ganz im Hier und Heute. So richtig übel habe ich „Hänschen klein“ seinen okkulten / übersinnlichen Einschlag genommen. An so etwas wie hier glaube ich nicht, Punkt. Und es hat für mich in einem Thriller auch nichts verloren. Jedenfalls nicht in diesem Ausmaß.


Titel: Hänschen klein
Autor: Andreas Winkelmann
Seiten:411
Verlag: Goldmann Verlag
ISBN: 978-3442471256
Preis: 8,95 (TB)

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