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Mai 02

Rezension – Erwin, Enten und Entsetzen (Thomas Krüger)

Erwin Düsediekers Freundin Lina Fiekens ist verschwunden. Sie wollte ihre Schwester auf der Insel Oddinsee besuchen. In den Zeitungen wird von einer unbekannten Toten berichtet. Erwin muss in den Norden, ans Meer, um sie zu finden. Selbstverständlich reist Erwin nicht ohne seine Laufenten Lothar und Lisbeth und deren Nachwuchs Alfred. Auf Oddinsee erleben sie eine Welt voller Mythen & Morde.

Trotz des schon recht unheilvollen Prologs wirkt im ersten Kapitel von „Erwin, Enten & Entsetzen“ alles noch eher harmlos. Man erfährt, dass Lina ihre Schwester auf der Insel Oddinsee besuchen gefahren ist, dass Erwin daher -bis auf seine Enten- alleine zuhause ist und wie es dazu kam, dass Lina diese Reise unternahm. Erwin hatte dabei zwar von Anfang an kein gutes Gefühl, doch das schiebt man als Leser zum Großteil auch darauf, dass Erwins Welt bisher nicht über die Grenzen seines Dorfs hinausreichte.
Doch dann ist da die Anzeige in der Zeitung: auf der Insel hat es einen Mord gegeben. Der Mörder ist unbekannt, ebenso die Identität der Toten. Obwohl ich es mir nicht vorstellen konnte (und auch nicht wollte) kam mir da doch, gleichzeitig mit Erwin, als erstes Lina in den Kopf.
Dann geschieht etwas noch Unglaublicheres: gemeinsam mit den Enten, Arno und Hilde macht er sich auf den Weg nach Oddinsee. Das wirkt dann schon irgendwie ein bisschen schräg, zumal man Erwin bisher niemals anderswo als in Bramschebeck und umliegenden westfälischen Nestern erlebt hat. Allerdings zeigt es für mich auch, dass Erwin sich entwickelt, dass er wagemutiger wird und sich trotz vieler Widrigkeiten auch in der Fremde zurechtfindet. Mit kleineren Problemchen hier und da, aber doch mit offenem Sinn Neuem gegenüber. Das kommt in dieser Geschichte wirklich gut und deutlich rüber. Trotzdem bleibt Erwin aber auf der anderen Seite noch der liebenswerte, etwas einfältige Mensch, den ich seit seinem ersten Abenteuer ins Herz geschlossen habe.
Die Insel wird einerseits wirklich schön beschrieben, andererseits aber auch fremd und rätselhaft. Man kann sich von Anfang an vorstellen, dass sich hier Ungeheuerliches abspielen kann bzw bereits abgespielt hat. Dieser Eindruck entsteht vornehmlich dadurch, dass Erwin seine Entdeckungen immer wieder mit Texten aus seinen Büchern, aus Mythen und Legenden, in Verbindung bringt. Immer mal wieder sind beispielsweise Teile aus Homers Odysee eingestreut, die Lina und Erwin vor Linas Reise gelesen haben. Das sorgt für eine düstere Stimmung.
Allerdings gibt es auch ganz handfeste Vorfälle und Entdeckungen auf Oddinsee, die einen schaudern lassen. Der Mörder geht brutal vor und bei gewissen Funden, die Erwin macht, kann man sein Grauen nur allzu gut nachvollziehen. Dabei gerät er an einige unheimliche Orte, speziell zum Ende hin. Da habe ich ehrlich gestaunt, denn mit so etwas hatte ich nicht gerechnet.
Am Ende dann wächst Erwin wahrlich über sich hinaus, das hätte ich ihm nie zugetraut. Obwohl ich schon bemerkt habe, dass er sich zusehends mausert, sich immer mehr traut und gewitzter kombiniert, hat er mich hier doch so richtig beeindruckt. Dabei sieht es am Ende nicht gut für ihn aus, gar nicht! Da muss man tatsächlich um sein Leben bangen. Als hätte es noch nicht gereicht, dass man die ganze Zeit zuvor schon Angst um Lina hatte!
Immer an Erwins Seite ist natürlich auch wieder seine kleine Laufentenfamilie. Ihr Wesen und Verhalten ist ein wenig merkwürdig, wenn man sie als Mensch betrachtet, doch oft steckt hinter diesen Eigenarten dann doch mehr als man dachte. Ich finde es immer irgendwie beruhigend, wenn geschildert wird, wie die Enten durch ihr eher einfaches Leben gehen. Es ist eben ein kleiner Einblick in eine Welt, die von unserer ein ordentliches Stück entfernt ist. Über Entensohn Alfred habe ich wieder einige Male lachen müssen. Der Kleine bringt so richtig schön Schwung in die kleine Gesellschaft, die nach Oddinsee reist.

Wie gewohnt liest sich auch dieser Fall für Erwin, seine Freunde und die Enten nicht unbedingt zügig. Nicht mal, nachdem ich bereits zwei dieser Bücher gelesen habe. Der Schreibstil ist schon gewöhnungsbedürftig und speziell, darauf muss man sich einlassen können. Das bedeutet mitunter auch, dass man hier und da mal ein zweites oder drittes Mal über einen Satz oder Absatz nachdenken muss. Oder sie eben noch ein weiteres Mal lesen muss. Und daran bin ich bei der Reihe zum Glück schon sehr gut gewöhnt. Es macht auch irgendwo den Charme der Reihe aus und passt gut zu Erwins Gedankenwelt, die oft auch nicht die Einfachste ist.

Das Covermotiv ist einmal mehr gnadenlos niedlich mit den drei Enten, die da über den Bootsrand schauen. Dass das Boot auf den Namen Lina getauft wurde, macht deutlich, wer in dieser Geschichte eine wichtige Rolle spielt, um wen sich hier alles dreht. Darüber spannt sich ein herrlich blauer Himmel. Das Motiv hat aber auch etwas Einsames, Verlassenes an sich. In der vorderen Klappe der Broschur findet man eine Karte von Oddinsee mit Orten, die in der Geschichte erwähnt werden. Witzig ist die Form der Insel.

Fazit: Einmal mehr ein spannender und grausiger Fall für Erwin, seine Freunde und die Enten. Dieses Mal weit weg von Bramschbeck, was man speziell Erwin bislang kaum zugetraut hat. Mich hat es auch überrascht, aber es hat mir auch gefallen. Es zeigt nämlich, dass sich Erwin weiterentwickelt, dass mehr in ihm steckt als man bislang dachte und dass er auch anderswo als in seinem Dorf mutig und clever ermitteln kann. Düstere Szenen und schaurige Enteckungen sorgen ebenso für Spannung wie die stetige Angst um Lina. Das Ende hat mich wirklich überrascht und um Erwin bangen lassen. Rundum ein gelungenes Abenteuer für Erwin & Co.


Titel: Erwin, Enten und Entsetzen
Autor: Thomas Krüger
Seiten: 368
Verlag: Heyne Verlag
ISBN: 978-3453418769
Preis: 9,99

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