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Dez 12

Rezension – Alle Augen auf dich (Gina Mayer)

alleaugenEine Entführung, die online übertragen wird; Lösegeld, das per Crowdfunding finanziert werden muss. Myriam Bellinger, Star der Internetserie Missing, wurde entführt. Die Täter hinterlassen keine Spuren, und Hauptkommissarin Amelie Fröhlich, die die Ermittlungen leitet, tappt völlig im Dunkeln. Da erscheint auf der Fanpage der Serie ein Videoblog. Man sieht – Myriam Bellinger, gefesselt, misshandelt und gefangen in einer winzigen Zelle. Tag für Tag kann die schockierte Öffentlichkeit Myriams Leiden nun online mitverfolgen. Dabei scheint sie sich zunehmend in einen ihrer Entführer zu verlieben. Die Kommentare der Internetgemeinde werden immer emotionaler, und die Klickzahlen schießen in die Höhe. Erst recht, als die erste Lösegeldforderung eintrifft: Zwei Millionen Euro, zu finanzieren über Crowdfunding!

Nachdem mir „In guten wie in toten Tagen“ von Gina Mayer so gut gefallen hatte, war es klar, dass ich auch „Alle Augen auf dich“ lesen würde. Entsprechend waren gewisse Erwartungen natürlich vorhanden. Der Klappentext klang ebenfalls ganz vielversprechend. Vor allem ausgesprochen modern, denn Crowndfunding ist aktuell in alle Munde und ein beliebtes Mittel um Projekte vorzufinanzieren, damit die Druchführung dann auch gesichert ist. Ich stehe dem eher ablehnend gegenüber, weil ich nicht einsehe, für etwas zu bezahlen, dass es erstens noch nicht gibt und bei dem ich zweitens nicht weiß, ob es tatsächlich mal erscheinen wird. Da darf man mich gerne radikal nennen, aber so sehe ich das eben. Deshalb schüttelte ich bei Crowdfundingprojekten oft nur den Kopf und lasse die Finger davon.
Somit habe ich natürlich auch bei dieser Geschichte den Kopf geschüttelt und nicht verstanden, dass tatsächlich so viel Lösegeld zusammenkommt. Sicher, irgendwo ist der Gedanke schon faszinierend. Da spenden Leute / Fans Geld um ihr Idol von einem Entführer freizukaufen. Menschen, die das Opfer gar nicht kennen, sondern sie lediglich gerne in einer Internet-Soap sehen. Irgendwo ist ihnen das wohl hoch anzurechnen, aber auf mich wirkte das schlichtweg schräg. Zu weit weg von meiner Devise zum Thema Crowdfunding. Nichtsdetotrotz ist es absolut ein aktuelles Thema, was der Story ordentlich Modernität verleiht.
Zum modernen Eindruck trägt weiterhin das Thema einer Internet-Soap bei. Ich muss gestehen, ich wusste bis zu diesem Buch gar nicht, dass es sowas gibt. Nun bin ich sowieso kein Fernseh- oder Seriengucker, geschweige denn, dass ich auch noch Online-Serien schauen würde. Daher war das vermutlich sowieso nicht mein Ding. Aber ich traue es Geschichten in jedem Falle zu, mich doch noch für Sachen zu begeistern, das eingangs nicht mein Fall waren. Das hatte ich mir hier irgendwo auch versprochen, aber es ist leider nicht gelungen.
„Alle Augen auf dich“ hat weder an meiner Einstellung zum Thema Crowdfunding gerüttelt, noch mein Interesse an (Internet)serien verstärkt. Ich kenne aber Bücher, die mich für Dinge begeistern konnten, die bis dahin nichts Meins waren. Es geht also, so verbohrt bin ich wirklich nicht. Hier ist es jedoch nicht gelungen.
Den Fall um die Entführung fand ich dagegen ganz interessant. Alleine schon, weil es mehrere Verdächtige gibt, denen ich durch die Bank nicht über den Weg getraut habe. So habe ich ordentlich geknobelt, wer hinter der Sache stecken könnte. Da die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, bekommt man immer wieder neue Informationen, aber doch nicht so viele, dass man im Nu durchsteigen würde. So macht mir das „Ermitteln“ immer viel Spass. Genauso gut hat es mir gefallen, dass man bei Kommissarin Fröhlichs Nachforschungen wirklich „nahe dran“ ist und einen guten Einblick in ihre Polizeiarbeit bekommt, die dabei nie so leicht dargestellt wird, wie das in manch anderen Krimi / Thriller gerne mal vorkommt. Ich bin mir sicher, Polizeiarbeit in der Realität ist auch nicht so easy. Deshalb schätze ich Kommissarin Fröhlichs Ermittlungen als ganz realistisch ein.
Von ihr selber war ich allerdings nicht so besonders angetan. Ja, sie arbeitet gut und gründlich. Als Kommissarin habe ich nicht einen Moment an ihr gezweifelt. Und selbstverständlich weiß ich, dass Kommissarinnen auch ein Privatleben haben. Etwas darüber zu erfahren, bringt einem die Figur normalerweise schnell nahe. Das gelingt bei mir aber nicht, wenn sich so jemand so -mit Verlaub- ignorant verhält. Als Leser steigt man schnell dahinter, was bei ihr los ist. Dafür braucht es gar nicht diese Fülle an Erwähnungen, wie es ihr speziell morgens gesundheitlich geht. Und was macht die Frau? ‚Ach nein, kann nicht sein, darf nicht sein, ich wüsste ja schon gerne, ob, aber ich habe halt doch Angst, was wäre, wenn…‘ Himmel, hilf, dann kümmere dich halt nicht drum, aber behellige auch nicht alle paar Seiten den Leser damit! So konnte Frau Fröhlich rein privat leider keine Pluspunkte bei mir sammeln.
Die übrigen Charaktere waren ebenso wenig mein Fall. Mit einem versoffenen Kerl sammelt man bei mir sowieso keine Punkte. Über seine On-Off-Freundin, das Entführungsopfer, erfährt man schlicht zu wenig (obwohl ich irgendwann doch eine Ahnung hatte, was vor sich geht) und Miriams Freundin war mir zu sehr dusseliges Mädchen, das nicht rafft, wer welches fiese Spiel mit ihr treibt. Am sympathischsten fand ich noch Komissaran Fröhlichs Kollegen Dürr.

Immerhin lies sich das Buch gut lesen. Durch die verschiedenen Blickwinkel ist für Abwechslung gesorgt und Langeweile kommt so auch nicht so schnell auf. Da fliegen die Seiten nur so dahin. Eine richtige Kapiteleinteilung mit Zahlen gibt es nicht, aber viele Absätze bieten Gelegenheit für eine Pause. Und das Ende eines ganzen Abschnitts erkennt man ebenfalls, zumal die Abschnitte markant im oberen Teil oder der Mitte einer Seite enden.

So knallrot ist das Buch sehr auffällig und ein echter Blickfang. Wie ich finde, gibt dieser Ring aus Figuren auch gut wider, was in der Geschichte passiert. Zig Leute, die zum Opfer gar keinen echten Bezug haben, blicken in dessen Richtung.

Fazit:  Mir hat das Moderne an diesem Buch sehr gut gefallen. Mit Crowdfunding und Social Networks sind brandaktuelle Themen der Dreh- und Angelpunkt. Ich wusste, dass Crowdfunding und (Internet)soaps nicht mein Fall sind, aber ich lasse mich immer gerne von Geschichten für etwas begeistern, dass ich bis dahin eher skeptisch betrachtet habe. Leider ist das „Alle Augen auf dich“ nicht gelungen. Es hat einfach nicht den entsprechenden Schalter bei mir gefunden. Dennoch fand ich den Fall selbst ganz spannend, vor allem die Nachforschungen von Amelie Fröhlich,  und habe gerne mitgeknobelt. Vom Krimi / Thriller her also durchaus mein Fall, thematisch aber an meinem Geschmack vorbei. Dabei hatte ich wirklich darauf gehofft, dass mich die Geschichte auf den Geschmack bringen würde. Schade.


Titel: Alle Augen auf dich
Autor: Gina Mayer
Seiten: 336
Verlag: Loewe Verlag
ISBN: 978-3839001653
Preis: 14,95 (Broschiert)

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