Jan 20 2015

[Romanverfilmung] Der große Trip – Wild

tripUnd läuft und läuft und läuft. 1.800 Kilometer will die 26-jährige Cheryl durch die Wildnis von Amerika wandern. Ohne viel Vorbereitung und noch weniger Ahnung macht sie sich mit ihrem überschweren Rucksack so naiv wie trotzig auf den Weg. Hauptsache, dem privaten Chaos endlich einmal davonlaufen, um sich selbst zu finden.

Soweit ich das in meinem Artikeln  gesehen habe, habe ich mich hier noch nie ausführlich zu einer Buchverfilmung geäußert. Daher seht es mir bitte nach, falls es etwas chaotisch wird. Eigentlich finde ich auch, dass mir so etwas mangels Vergleichen gar nicht zusteht. Ich schaue so selten Filme, da kann ich unmöglich Ahnung davon haben 😉

Trotzdem versuche ich mich mal an dieser Premiere, zumal mir dieser Film wirklich außerordentlich gut gefallen hat. Obwohl ich mit anderen Erwartungen ins Kino gegangen bin. Ich habe gerade eine Phase, in der ich gerne oft möglichst weit weg an schönen Orten wäre. Ich dachte, mit dem Film und den Landschaftsaufnahmen könnte ich dieses Bedürfnis ein wenig stillen. Quasi mich mit dem Film dorthin träumen. Ich muss gestehen, dass mich Cheryl, ihr Leben und ihr Schicksal mich eher zweitranging interessierten

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Bilderquelle: Twentieth Century Fox

Zu Beginn der Films sitzt Cheryl mit ihrem schweren Rucksack auf einem Berg und man sieht ihr an, dass bereits einige Strapazen hinter ihr liegen. Als ihr dann die Wanderschuhe den Berg hinunterfallen, schreit sie ihren Frust wortwörtlich heraus. Im Grund beginnt der Film also an einem Punkt, an dem Cheryl schon eine gehörige Strecke zurückgelegt hat, mittendrin sozusagen.
Erst danach kehrt die Handlung zum Beginn ihrer Wanderung zurück bzw zu den Vorbereitungen. Es ist amüsant zu beobachten, wie Cheryl ihren monströsen Rucksack zusammenschnürt und dann beim Versuch ihn anzuheben bzw auf ihren Rück zu hieven überhaupt nicht mehr vom Boden hochkommt. Der Film hat vor allem in der ersten Hälfte ganz klar seine witzigen Momente.  Gleichzeitig verrät der riesige Rucksack aber eben auch, dass diese Wanderung eine ziemliche Strapaze sein wird. Körperlich auf jeden Fall.
Zunächst bleibt die Handlung hauptsächlich bei Cheryl auf ihrer Tour, und schnell wird klar, dass sie das Unternehmen wohl doch etwas einfacher eingeschätzt hatte. Der schwere Rucksack, die Hitze in Kalifornien, wo die Tour startet, schmerzende Füße und Druckstellen vom Rucksack und  Macken und Schrammen an Händen und Beinen. Und Frust beim erstmaligen Zeltaufbau und dem Rätsel um in die Inbetriebnahme des Gaskochers. Obwohl es mit kaum anders ergehen würde, habe ich über vieles davon schmunzeln oder lachen müssen.  Ja, es ist hart, aber ich habe Cheryl trotzdem angefeuert, weiterzumachen und nicht einfach alles hinzuschmeißen. Ich finde halt, wenn man sich so etwas wie diesen Marsch vornimmt, dann zieht man das auch durch, egal was kommt (außer Krankheiten oder gebrochene Knochen). Ansonsten ist Aufgeben keine Option. Und natürlich zieht Cheryl es durch, denn sonst gäbe es weder Buch, noch Film.
Doch nicht nur die Landschaft und das Wetter fordern Cheryl heraus. Gelegentlich trifft sie auf Menschen, beispielsweise einen Farmer, der sie ein Stück weit mitnimmt und zu sich nach Hause einlädt. Da spürt man anfangs ganz deutlich Cheryl (völlig berechtigtes) Misstrauen und ihre Angst. Wieso auch sollte man wildfremden Menschen einfach so trauen? Meist sind es solide Typen, doch es ist immer spürbar, das es leicht mal nicht so sein könnte.
Tiere sind ebenfalls so eine Sache. Als Städter kennt man viele von ihnen gar nicht in freier Wildbahn. Was könnte da nicht alles nachts um das Zelt schleichen! Einmal hört Cheryl des nachts ein Geräusch, meint eine Bewegung im Schlafsack zu fühlen und hastet aus dem Zelt. Sie schlägt den Schlafsack aus und pustet panisch in ihre Notfallpfeife. Daraufhin verkrümeln sich wilde Tiere in meilenweiter Entfernung, und als Untier im Schlafsack entpuppt sich eine kleine, flauschige Raupe. Solche Momente gibt es viele in diesem Film: erst super spannend und dann löst sich meist doch alles zum Guten hin auf. „Aber irgendwann wird das vielleicht nicht mehr so sein.“ murmelt daraufhin die Stimme im Zuschauerkopf hinterlistig.
Mein Wunsch nach tollen Landschaftsaufnahmen wurde mir klar erfüllt. Egal ob Wald, Berge, Schnee, Wüste, Bäche oder Flüsse, es ist einfach alles wunderschön anzuschauen, und meine Liste, was ich im Leben alles noch sehen möchte, ist ein gutes Stück länger geworden. Allerdings möchte ich dafür nicht unbedingt viertausendzeihundertirgendwas Kilometer wandern 😉

Je weiter Cheryl auf ihrer Wanderung kommt, desto häufiger erhält der Zuschauer Einblick in ihre Erinnerungen an ihre Vergangenheit. Zunächst an ihre Zeit als frisch geschiedene Ehefrau, doch nach und nach geht es immer weiter zurück bis in ihre Kindheit und Jugend. Am deutlichsten ist bei mir hängen geblieben, mit welchem Kampfgeist speziell Cheryls Mutter sich durchgeschlagen hat und wie sehr sie sich bemüht hat, ihren Kindern ein schönes und gutes Leben zu bieten. Dabei war Cheryls Familie nie reich oder zumindest gut gestellt.
„Wir haben nichts!“ sagt Cheryl als Studentin einmal.
„Wir haben Liebe im Überfluss“, antwortet ihre Mutter.
Und das spürt man in allen Szenen mit Cheryl, ihrem Bruder Leif und ihrer Mutter. Man sieht ihrem Haus und ihrer Kleidung an, dass sie materiell tatsächlich nicht viel haben, sich aber lieben, wie Pech und Schwefel zusammenhalten und versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Das ist schön und rührend, ohne dass es aber je kitschig von der Decke tropft. Ganz im Gegenteil sind es oft lustige Momente, in denen dieses Gefühl rüberkommt.

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Bilderquelle: Twentieth Century Fox

Mit dem frühen Tod der Mutter fliegt Cheryls Leben komplett aus der Bahn. Sie weiß in ihrer Trauer nicht wohin mit sich, kellnert, wirft sich jedem dahergelaufenen Typen an den Hals und wird zum Junkie. Ich habe über einige Szenen ungläubig den Kopf geschüttelt und mich vor Ekel gewunden. Wie kann man so tief sinken? Andererseits denke ich, dass es ohne all diese Zwischenfälle niemals die starke und zähe Cheryl auf dem Pacific Crest Trail gegeben hätte. Manchmal ist das Leben eben einfach so richtig Scheiße, aber es formt einen Menschen und seinen Charakter  auch in dieser Situation auf irgendeine Art. Man darf (sich) halt nur nicht irgendwann aufgeben.
Ich konnte verstehen, dass Cheryl nach dieser Jugend und der gescheiterten Ehe eine Herausforderung gesucht hat, die gewissermaßen auch eine Flucht ist. Unterwegs stellt sie sich all diesen Erinnerungen und arbeitet sie -soweit möglich- für sich ab. Nach dem, was man in den Rückblenden sieht, konnte ich mir gut vorstellen, dass das schwer fällt und oft quält und wehtut.
Damit man aber als Zuschauer ebenso wenig darin versackt wie Cheryl gibt es unterwegs immer wieder auch schöne und heitere Momente. Mit anderen Wanderern, den Leuten an den Stationen auf der Wanderung und in den Orten, in denen diese Stationen liegen. Sieht Reno echt so aus? Da muss ich auch unbedingt mal hin!

In der Hauptrolle ist Reese Witherspoon zu sehen, die ich bislang nur bildhübsch aus irgendwelchen Maganzinen kannte. Als Cheryl fand ich sie zwar immer noch ganz hübsch, aber auf eine burschikosere und vor allem schmutzigere Art 😀 Klar, wer mehr als zweitausend Meilen durch die Wildnis marschiert, der sieht nicht aus wie frisch aus der Wellnessoase. Dass Reese Witherspoon mit ihren 38 Jahren eine Sechsundzwanzigjährige spielt, mag seltsam klingen, aber es passt zu dieser Rolle, dass sie nicht mehr wie eine Sechsundzwanzigjährige aussieht. Cheryls Leben hat Spuren hinterlassen und die Wanderung trägt ebenfalls ordentlich dazu bei, dass sie älter wirkt. Beeindruckt hat mich außerdem speziell Laura Dern in der Rolle von Cheryls Mutter. Diese übersprudelnde Energie, diese Liebe, die diese Figur ausstrahlt angesichts ihres wenig komfortablen Lebens, Laura Dern bringt das wunderbar an den Zuschauer.

Der Film zieht einen Teil seiner Atmosphäre aus Musik, aus Liedern, die gelegentlich zu hören sind. Wenn man genau hinhört, dann stellt man fest, dass die Texte immer zu dem Punkt in Cheryls Leben passen, der gerade gezeigt wird. Sowohl in den Rückblicken, als auch in der Handlung auf der Wanderung. Es sind ruhige Stücke, nichts Modernes (soweit ich das beurteilen kann), doch das hätte in meinen Ohren auch nicht gepasst.

Fazit: Der Film war anders als ich es erwatet hat. Er rhht sich nicht auf schönen Landschaftsaufnahmen aus, sondern dreht sich intensiv und auf ganzer Linie um Cheryl. Die Cheryl von früher und die Cheryl jetzt auf dem Pacific Crest Trail. Während Cheryl sich dort vorwärts bewegt, bewegen ihre Erinnerung sich rückwärts und haben mich schwankend zwischen Entsetzung und Glücklichsein dasitzen lassen. Ich fand es beeindruckend und toll, dass Cheryl trotz aller Schwierigkeiten -damals, wie auch heute- nie aufgegeben hat. Das ist wohl auch die wesentliche Botschaft dieses Films: niemals aufgeben! Wenn du willst, kannst du alles schaffen, egal welche Steine dir das Schicksal in den Weg legt.
Die BlueRay ist gekauft!

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