Mai 08 2014

Rezension – Graues Land (Michael Dissieux)

graueslandHarvey und Sarah führen ein glückliches, ruhiges Leben in den Bergen. Als Sarah erkrankt, kümmert sich der alte Harv liebevoll um seine Ehefrau. Doch eines Tages hat sich etwas geändert in der Welt da draussen. Es beginnt damit, dass die Fernsehsender kein Programm mehr ausstrahlen, dann fällt die Stromversorgung aus, auch das Telefon verstummt. Ein grauer Schleier umhüllt das Land. Eine trügerische Stille liegt über den Feldern, über dem Haus. Des Nachts glaubt Harvey, Kreaturen ums Haus schleichen zu hören. Und die kurze Begegnung mit einer jener Kreaturen im Garten bringt die schreckliche Gewissheit, keiner Einbildung erlegen zu sein. Harvey beschließt, in Erfahrung zu bringen, was zum Teufel mit der Welt geschen ist. Und so steigt er in seinen rostigen Van und fährt hinüber zu seinem alten Freund Murphy, der ein paar Meilen die Straße hinab ein kleines Lebensmittelgeschäft betreibt. Doch dieser scheint bereits dem Wahnsinn anheim gefallen zu sein.

Dieses Buch kam durch eine Empfehlung auf der Buchmesse zu mir. Mit einer Warnung, die sinngemäß besagte, dass die Geschichte nichts für zart besaitete Leser sei. Man kann sich vorstellen, mit welchen Erwartungen ich das Buch wenig später aufgeklappt habe!
Bereits der Prolog lässt durchblicken, dass sich irgendetwas mit der Welt ereignet haben muss. Was, wird hier natürlich noch nicht verraten. Es scheint in dem Teil der USA, in dem Harv lebt, auch noch nicht so schlimm zu sein.
Das ändert sich gleich mit dem ersten Kapitel schlagartig. Die Situation hat sich zugespitzt. Harv lebt alleine mit seiner kranken Frau, die kaum noch etwas wahrnimmt, was um sie herum geschieht, in einem abgeschiedenen Dörfchen in den Bergen. Es gibt keinen Strom mehr, die Versorgung mit Lebensmittel ist mehr als dürftig und vor allem beschwerlich und gelegentlich treiben sich seltsame Kreaturen um das Haus herum. Die Welt ist quasi in einem trostlosen Grau versunken, und mir ist kaum eine andere Geschichte unter die Augen gekommen, die diesen Eindruck so intensiv vermittelt wie „Graues Land“. Erzähler Harv findet stets neue Bilder und Beschreibungen seines Lebens und seinem kleinen Teil Welt vor der Haustür, sodass sich die zutiefst gedrückte Stimmung durch die ganze Story zieht. Selten habe ich mich beim Lesen so hoffnungslos gefühlt.
Übrigens ist es von Vorteil, dass Harv so vielseitig erzählt, denn allzu viel geschieht in der Geschichte nicht. Man ist hauptsächlich im Hause von Harv zu Gast, wo man miterlebt, wie er sich um seine kranke, teilnahslose Frau kümmert und versucht, sonst ein wenigstens minimal normales Leben aufrecht zu erhalten. Beeindruckt hat es mich dabei, mit wieviel Liebe und Hingabe er von Sarah spricht. Obwohl sie schon so lange zusammen und verheiratet sind und er es mit ihr inzwischen keineswegs leicht hat, kommt so viel Liebe rüber, dass es oft wirklich rührend ist.
Gelgentlich, wenn es gar nicht anders geht, unternimmt Harv keinere Ausflüge zum Dorfladen oder zu Nachbarn. Lange sind diese Ausflüge die einzige Abwechslung im Geschehen. Das lockert erstens ein kleines bisschen auf -soweit das in dieser Situation möglich ist-, zweitens wird es dabei manches Mal aber auch ausgesprochen grausig, was mir sehr gut gefallen hat. Solche Situationen hätte es für mich gerne mehr geben dürfen. Genauso wie von Harv Begegnung mit diesen unheimlichen Kreaturen, die gelegentlich im Garten auftauchen. Da steckt reichlich Gruselpotenzial drin, das Michael Dissieux für mich gerne mehr hätten ausreizen dürfen.
Was genau mit der Welt geschehen ist, wird im gesamten Buch nicht verraten. Hier und da bekommt man die eine oder andere Theorie an die Hand, aber es sind kaum mehr als Ansätze. Ich muss ehrlich sagen, dass mich das nicht gestört hat. Ich muss keine Gründe wissen, wenn die Asuwirkungen mich spannend und gruselig unterhalten.
Mit dem überraschenden Auftauchen eines Hubschraubers gegen Ende der Geschichte erlebte die Handlung für mich leider einen Bruch, der mir gar nicht gefallen hat. Natürlich kommt der Hubschrauber nicht alleine geflogen, und als dann mehr Figuren mitmischen als bis dahin, geht der Geschichte ein guter Teil der gedrückten Atmosphäre verloren.
Zuletzt habe ich mich gefragt, wieso man die Geschichte fortsetzen muss? Für mich hätte sie gut alleine stehen bleiben können. Natürlich wären dabei Fragen offen geblieben, eine ganze Menge sogar, aber das sehe ich nicht so eng, wenn die Geschichte mich sonst gut und spannend unterhalten hat. Genau das war hier der Fall. Ich weiß nicht, ob ich noch eine andere Sicht auf diese veränderte Welt brauche.

„Graues Land“ liest sich nicht gerade leicht und erst recht nicht zügig. Es gibt kaum Dialoge, die für Auflockerung sorgen könnten. Stattdessen liest man sich fast ausschließlich durch Harvs Erzählungen und Schilderungen. So etwas liest sich von Natur aus wuchtiger und langsamer. Eigentlich mag ich sowas gar nicht, aber hier ging es für mich in Ordnung. Alleine schon wegen der bedrückenden Atmosphäre, die diese Erzählweise im Nu heraufbeschwört.

Auf dem Cover ist wohl Harv in seinem Sessel zu sehen. Er wirkt verlassen und der finstere Hintergrund macht einen geradezu bedrohlichen Eindruck. Im Buch findet man zu Beginn der Kapitel Illustrationen, die einige Szenen veranschaulichen. Sie sind düster, grau und schattenhaft gehalten.

Fazit:  Ohne arrogant klingen zu wollen, aber solch ein Schocker wie ich ihn nach der Warnung auf der Messe erwartet hatte, war „Graues Land“ für mich nicht. Spannend fand ich die Geschichte dennoch und sie hat mich mit ihrer so intensiv beklemmenden  Atmosphäre wirklich beeindruckt. Ein wenig mehr Grusel hätte es allerdings schon sein dürfen und den Hubschrauber samt „Besatzung“ hätte ich nicht gebraucht. Das sorgt für einen Bruch, denn die Stimmung geht dabei zum Großteil flöten.

Vielen Dank an den Luzifer Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!


Titel: Graues Land
Autor: Michael Dissieux
Seiten: 270
Verlag: Luzifer Verlag
ISBN: 978-3943408034
Preis: 14,95 (Broschiert)

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