Mai 05 2014

Rezension – Phantasmen (Kai Meyer)

phantasmenEines Tages tauchten sie aus dem Nichts auf – die Geister der Toten. Millionen auf der ganzen Welt, und stündlich werden es mehr. Sie stehen da, bewegungslos, leuchtend, ungefährlich. An der Absturzstelle eines Flugzeugs, mitten in Europas einziger Wüste, warten zwei junge Frauen auf die Geister ihrer verunglückten Eltern. Rain hofft, die Begegnung wird ihrer jüngeren Schwester Emma helfen, Abschied zu nehmen. Auch Tyler, ein schweigsamer Norweger, ist auf seinem Motorrad nach Spanien gekommen, um ein letztes Mal seine große Liebe Flavie zu sehen. Dann erscheinen die Geister. Doch diesmal lächeln sie. Und es ist ein böses Lächeln.

Als ich „Phantasmen“ auf der Buchmesse zum ersten Mal in Händen hielt, sprach mich der Klappentext sofort an. Da es mir mit noch einem von Kai Meyers Büchern je so gegangen ist, war das etwas Besonderes. Daher war es klar, dass ich das Buch lesen würde.
Fangen wir mit dem Lobenswerten an: die Idee der Geschichte mit den Geistern und ihrem Lächeln hat mir sehr gut gefallen. Mal keine Vampire, Werwölfe und Konsorten, sondern die guten alten Geister. Und doch so ganz anders als man sie gemeinhin kennt. Für meinen Geschmack eben einfach cool! Auch wenn es lebensgefährlich ist, dieses Geisterlicht hätte ich gerne mal gesehen.
Leider macht die Geschichte in meinem Augen verschwindend wenig aus dieser Idee.
Spannend fand ich sie zB nur ganz, ganz selten mal. Das lag vor allem an den Schwestern Rain und Emma. Damit ich mit Figuren mitfühlen und um sie bangen kann, müssen sie Gefühle zeigen. Gefährliche Situationen und halsbrecherische Touren in Autos und auf Motorrädern reichen mir da nicht. Aber wie soll man mit zwei Mädels mitfiebern, von der eine abgebrüht ist wie nur was, und die andere so intelligent, dass sie Gefühle als absolut unlogisch empfindet, sie daher für unter ihrer Würde hält und keine zeigt?
Außerdem hat mich vor allem Rain auch ziemlich genervt. Anfangs nur damit, dass sie dauernd Andeutungen über ihre Vergangenheit macht, in der wahrlich Dramatisches passiert sein muss, die Katze aber erst sehr viel später aus dem Sack lässt. Keine Ahnung, was der Geschichte gefehlt hätte, wenn das Thema bedeutend früher auf den Tisch gekommen wäre! Und dann diese ewige Angst um Emma. Dass bloß Emma nichts passiert! Emma muss unbedingt geschützt werden! Wenn es einer verdient, lebend aus der Misere herauszukommen, dann natürlich Emma! Himmel noch eins, so selbstlos kann doch kein Mensch sein, der ständig und überall seinem erschreckend nahe Tod ins Auge blickt! Wieso ist Emmas Leben mehr wert als das von Rain, Tyler oder anderen Menschen? Vor allem, weil man fix merkt, das in der ach so schutzbedürftigen Emma mehr steckt als man auf den ersten Blick noch denkt!
Auch der Schauplatz lag mir lange nicht. Mit Wüste assoziiere ich immer: Sand – staubig – öde. Dagegen kann ich einfach nichts tun. Daher war ich froh als es später nach New York geht. Eine solche Stadt kommt mir schon deutlich mehr entgegen und klingt so gar nicht nach Ödnis. Ich hätte sie ehrlich gerne selber im Geisterlicht gesehen. Der Anblick ist so eindrucksvoll beschrieben, dass ich es mir gut vorstellen konnte. Aber „in echt“ wäre es sicher noch cooler gewesen 😉
Zuletzt finde ich noch, wenn es um Geister geht, dann darf es auch gerne mal gruselig werden. Doch gruselig ist „Phantasmen“ nur ganz minimal und vor allem viel zu selten. Dabei würden die Gegenbeinheiten es dicke hergeben. Die Kreaturen und manche Szene haben eindeutig Gänsehautpotenzial, nutzen es aber kaum. Stattdessen wird das Schauerlichste noch zum gutherzigen Wesen.

Das Buch hat es mir schwer gemacht, dranzubleiben. Einmal weil ich es nicht besonders spannend oder interessant fand, zum anderen aber auch durch die vielen beschreibenden Passagen. Ich habe mich über jeden Dialog gefreut, weil es dann etwas zügiger voranging. Ich habe das Lesen daher als anstrengend empfunden.

Das Cover gefällt mir noch immer sehr gut! So geisterhaft neblig wirkt es unheimlich und die rätselhaften Gesichter lassen einen schnell grübeln, was es mit ihnen auf sich haben könnte.

Fazit: Trotz einer wirklich genialen Idee hat mich „Phantasmen“ ziemlich enttäuscht. Ausgerechnet das erste Buch von Kai Meyer, das ganz nach meinem Geschmack klang 🙁 Ich habe es leider weder als spannend, noch als sonderlich interessant empfunden, was Rain, Emma und Tyler alles widerfährt, und obendrein haben mich Rains Geheimniskrämerei und ihre unglaubliche Selbstlosigkeit ziemlich genervt.


Titel: Phantasmen
Autor: Kai Meyer
Seiten: 400
Verlag: Carlsen Verlag
ISBN: 978-3551582928
Preis: 19,90 (HC)

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